Wacky Races im Test

Dreamcast
In der guten alten Zeit, als man "Sailor Moon" noch für ein Matrosenlied und "Pikachu" für eine japanische Delikatesse hielt, beherrschten die Hanna-Barbera Studios den Zeichentrickmarkt in den USA. Während es in Europa lediglich die Familie Feuerstein schaffte, eine große Fangemeinde für sich zu gewinnen, waren im Land der unbegrenzten Möglichkeiten noch viele andere Serien äußerst erfolgreich und genießen inzwischen absoluten Kultstatus. Zu diesen Perlen der Fernsehgeschichte gehört auch "Wacky Races" aus dem Jahre 1968. Eigentlich war die Story jede Woche die Gleiche: ein paar skurrile Gestalten in abgedrehten Vehikeln kämpften um den Titel "verrücktester Rennfahrer der Welt". Die Entwickler von Infogrames (inzwischen Atari) setzten der Serie ein Denkmal, indem sie einen gleichnamigen Fun-Racer für Dreamcast herausbrachten.
Tatsächlich ist alles im Spiel enthalten, was es damals auch im Fernsehen zu bestaunen gab. Elf verschiedene Fahrzeuge (von denen drei erst freigespielt werden müssen) mit durchgeknallten Fahrern stehen zur Verfügung. Zwar sind alle Charaktere witzig, aber ein paar sind wirklich zum Schreien. So prügeln beispielsweise die völlig behaarten "Feuerstein Brüder" während der Fahrt ständig mit großen Keulen aufeinander ein. Die Extrawaffen sind nicht nur sehr ausgefallen, sondern steigern auch den Spielspaß erheblich. Zu Beginn eines Rennens muss man sich entscheiden, welche drei Extras man mit an Bord nimmt. Während der wilden Fahrt müssen bestimmte Symbole eingesammelt werden, um Waffen, Schutzschild oder Boost auslösen zu können. Die einzelnen Vehikel unterscheiden sich in Sachen Steuerbarkeit und Bewaffnung so stark, dass man einfach jedes einmal ausprobieren muss, um am Ende seinen absoluten Favoriten zu finden.


Das gibt blaue Flecke...


Motivation wird bei "Wacky Races" groß geschrieben. Hier muss praktisch alles freigespielt werden. Nach dem erfolgreichen Beenden einer Strecke erhält man einen Stern als Siegprämie. Hat man genug Sterne gesammelt, darf man sich auch in Bereiche wagen, die vorher nicht zugänglich waren. Auch Extrawaffen, neue Fahrzeuge und sogar neue Modi können erzockt werden. Es gibt zwei Schwierigkeitsgrade, die sich vor allem durch die Spielgeschwindigkeit unterscheiden. "Wacky Races" ist vollgepackt mit interessanten Details. So kann man beispielsweise immer nachschauen, wie viel Zeit man bereits vor der Konsole verbracht hat und wie oft man schon gefahren ist. Aufgrund des kurzweiligen Rennspaßes ist dies teilweise erschreckend. Das LCD-Display des VMU zeigt ein kleines Portrait des jeweiligen Fahrers, was ebenfalls eine nette Idee ist.

Grafisch kann das Game auf ganzer Linie überzeugen. Es läuft flüssig und sieht fast genauso aus wie das Zeichentrick-Vorbild. Nur sehr selten machen sich kleinere Fehler wie durchsichtige Wände bemerkbar. Die Fahrer und Wagen sind ordentlich animiert und reagieren auf jede Unebenheit des Bodens. Sehr schön anzusehen sind bestimmte Fahrzeugmodifikationen. So wird aus dem "Roadster Sägemühle" von "Rufus Rundholz" und "Sammy Sägemehl" in Sekunden ein fahrendes Blockhaus, wenn man genügend Sternsymbole für dieses Extra gesammelt hat. Man muss allerdings anmerken, dass "Wacky Races" durch den Cartoon auch eingeschränkt wird. Wahre Grafikfans werden bemängeln, dass alles sehr eckig wirkt und auch das Umfeld nicht gerade plastisch ist. Aber so sah die alte Serie nun mal aus. Die Bäume unterscheiden sich oft nur durch verschiedene Farben und auch sonst wirkt der Hintergrund etwas spärlich.


Auch Fahrten über Wasser sind für die Multifunktionsvehikel kein Problem.


Man sollte sich von der kindgerechten Optik des Spiels nicht täuschen lassen. Viele der 15 Strecken sind echte Herausforderungen und schon nach kurzer Zeit steigt der Schwierigkeitsgrad erheblich an. Oft muss man eine Strecke mehrmals fahren, um überhaupt herauszufinden, welche Abzweigungen in eine Sackgasse führen und wo die Abkürzungen versteckt sind. Zum Glück gibt es verschiedene Ansichten und wenn man die Kamera so einstellt, dass sie das Spielgeschehen aus einiger Entfernung zeigt, wird alles sehr viel übersichtlicher.

Wenn man schon ein paar Stunden vor der Konsole verbracht hat, erreicht man den "goldenen Teufelszahn Modus". Hier ist es die Aufgabe, zehn kleine Statuen einzusammeln und das Rennen auch noch zu gewinnen. Leider sind die Trophäen teilweise so gut versteckt, dass man an einigen Levels verzweifelt und frustriert in den Controller beißt, wenn man zum wiederholten Mal nur neun der "goldenen Teufelszähne" gefunden hat. Bis man den wirklich spaßigen Kampfarena-Modus erspielt hat, der ein paar neue Strecken bietet, vergehen deshalb viele Stunden, in denen man das Spiel oft verflucht.


Die keulenschwingenden Feuerstein Brüder sind die wahren Stars des Games.


Die Musik ist leider etwas eintönig ausgefallen und erinnert entfernt an das inzwischen leicht angestaubte "Mario Kart" für den N64. Zwar ist sie schön schnell und unterstreicht das verrückte Spielgeschehen gut, aber nach einer Weile nervt es einfach, immer wieder das gleiche Stück zu hören. Die Soundeffekte sind zwar auch nichts Besonderes, wirken aber immer passend. Einzig die Stimmen der Fahrer können wirklich überzeugen. Jeder der Piloten kommentiert bestimmte Spielsituationen auf lustige Art und Weise.



Infogrames hat das Flehen der Spieler erhört und uns eine komplett deutsche Version spendiert. Wer in der Schule aufgepasst hat, kann aber auch die Originalversion wiederherstellen oder eine von vier weiteren Sprachen wählen. Allein der Sprecher hat nach dem Rennen und in den Optionsmenüs große Probleme, die richtigen Worte zu finden. Oft beginnt er einen Satz mehrmals und überschlägt sich förmlich, bis es ihm endlich gelingt, dem Spieler seine Meinung kund zu tun. So etwas wirkt reichlich unprofessionell und man fragt sich, wie sich ein derart auffälliger Sound-Bug in ein fertiges Spiel einschleichen kann.

Leider hat das lustige Rennen ein paar kleinere Macken, die sich unter ungünstigen Umständen sehr störend auf das Gameplay auswirken können. So bleibt beispielsweise das Feld der Computergegner immer sehr dicht beisammen. Wenn man sich dann mitten im Getümmel befindet, kann man den eigenen Wagen teilweise überhaupt nicht sehen, weil eines der größeren Vehikel die Sicht versperrt. Die Bremse reagiert viel zu stark und kann somit nicht genutzt werden, um die Kurvenlage zu verbessern, ohne viel Zeit zu verlieren. Wenn es einen Spieler mal richtig übel erwischt hat und er vor einem breiten Hindernis kleben geblieben ist, reicht es nicht einfach aus, Gas zu geben und zu lenken, um wieder auf die Strecke zu kommen. Man muss häufig den Rückwärtsgang einlegen und noch mal richtig Anlauf nehmen, da der Wendekreis nur bei hoher Geschwindigkeit klein genug ist, um wirklich manövrieren zu können.


Dieser Panzer kann schon mal den halben Bildschirm verdecken, wenn er direkt hinter dem eigenen Fahrzeug fäht.


Nun stellen wir uns folgende Situation vor: der Zocker befindet sich in der alles entscheidenden Runde. Gerade ist es ihm gelungen, die Führungsposition einzunehmen. In der letzten Kurve erwischt ihn einer der Mitstreiter mit einer Rakete. Während der Spieler sich noch fragt, was eigentlich passiert ist, wird sein Wagen zum Pingpong-Ball, da ihn das gesamte Feld überholt und jeder Gegner einmal kurz aneckt. Zum Glück muss er dieses grausame Ritual nicht mit ansehen, da ein Haus auf Rädern alles Wichtige verdeckt. Nach endlosen Sekunden findet der Zocker dann seinen Wagen wieder. Natürlich steht dieser inzwischen entgegen der Fahrtrichtung vor einer Wand. Während er wendet, fahren alle anderen schon über die Ziellinie. Situationen wie diese kommen im Spiel immer wieder vor und sind auf Dauer extrem frustrierend, da man sie weder direkt verschuldet noch eine Möglichkeit hat, sie positiv zu beeinflussen.

"Wacky Races" ist durch seinen Vier-Spieler-Modus auch für lange Zocknächte sehr gut geeignet. Wie immer steigt hier der Spielspaß proportional zur Größe des Fernsehers. Alle Rennvariationen lassen sich auch mit Freunden bestreiten. Merkwürdigerweise macht dies nicht immer Sinn. Denn im berüchtigten "goldenen Teufelszahnzahn Modus" bringt es wenig, wenn am Ende jeder mit ein paar Trophäen über die Ziellinie fährt. Zum Glück gibt es drei Modi, die speziell für das Multiplayer-Vergnügen ausgelegt sind. Dumm ist nur, dass man zwei von diesen auch zuerst allein erspielen muss.

Tim meint:

Tim

Ein kunterbunter Fun-Racer mit herrlich abgedrehten Charakteren, intelligenten Gegnern und vielen Spielmodi. Auch Vollprofis werden viele Stunden investieren müssen, bis sie jedes Geheimnis des Games freigespielt haben. "Wacky Races" bietet Zockern jeder Altersstufe etwas für ihr Geld. Hätte man die kleineren Mängel im Gameplay ausgemerzt und den Schwierigkeitsgrad in den späteren Levels etwas fairer gestaltet, wäre das verrückte Rennen ein absoluter Top-Hit. Aber auch so macht es eine Menge Spaß.

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8.6 1 Stimmen
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Wacky Races Daten
Genre Funracer
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 30.06.2000
Vermarkter Infogrames
Wertung 7.8
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neXGam YouTube Channel
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