Sid Meier's Pirates! im Test

Macintosh
Als Pirates! im Jahr 1987 für den guten alten C-64 Heimcomputer erschien, konnte noch niemand mit dem Erfolg rechnen. Der kurz darauf folgende kometenhafte Aufstieg (mit unzähligen Konvertierungen) war schlichtweg dem völlig neuen Spielprinzip geschuldet, dass alle Landratten am heimischen Computer in die Hosen eines waschechten Seeräubers schlüpfen liess...
Es gehört noch nie zu den einfachen Aufgaben das Spielprinzip von Pirates! zu beschreiben und die vorliegende (übrigens schon 2004 für PC veröffentlichte) Fassung mit ihren diversen Neuerungen macht diese Aufgabe nicht leichter. Im Grunde handelt es sich bei dem Spiel um eine Lebenssimulation. Wer jetzt denkt, dass es darum geht, ein Haus möglichst geschmacklos einzurichten, einen Job zu finden und sinnlosen Small Talk mit den Nachbarn zu betreiben, liegt völlig falsch. Im Gegensatz zu den Problemen der Die Sims ist das Piratendasein nämlich alles andere als alltäglich.




Sid Meier, der kreative Kopf hinter dem Projekt, hat eine ganze Reihe von Genres vermischt, um den Aufenthalt in der Karibik vergangener Jahrhunderte so abwechslungsreich wie möglich zu gestalten. Eine gute Portion Rollenspiel, eine Prise Handelssimulation, ein Schuss Strategie und jede Menge actiongeladener Mini-Games machen Pirates! auch heute noch zu einer außergewöhnlichen Erscheinung im übersättigten Spielemarkt.

Das Abenteuer beginnt, wie so häufig, mit einer schrecklichen Tragödie. Der grausame Marquis Montalban verschleppt die Mitglieder einer adligen Familie und reißt sich ihren gesamten Besitz unter den Nagel. Nur der junge Sohn kann sich in letzter Sekunde befreien und entgeht so dem ungewissen Schicksal seiner nächsten Verwandtschaft. Zehn Jahre später ist aus dem Kind ein Mann geworden, der sich klare Ziele im Leben gesetzt hat. Er will seine Familie finden und dem fiesen Montalban das Handwerk legen. Als einfacher Matrose heuert unser jugendlicher Held auf einem kleinen Schiff an. Als es zur Meuterei kommt, erkennt der noch unerfahrene Seefahrer die Zeichen der Zeit und übernimmt das Kommando. Als Pirat versucht er zukünftig Reichtümer zu horten und gleichzeitig seine Rachepläne in die Tat umzusetzen.



Und da das Piratentum im 17. Jahrhundert gerade Hochkonjunktur hat (es war u.a. durchaus üblich "staatliche Piraten" zu halten) mangelt es euch auch nicht an Beschäftigung im Namen einer von vier Nationen (England, Frankreich, Holland, Spanien) für die ihr euch bei Spielstart entscheidet. Allerdings müsst ihr euch bei Pirates! nicht zwangsläufig daran halten. Wer will kann auch die Seiten wechseln und beispielsweise als Spanier bei den Franzosen sein Glück versuchen. Und das ist das schöne an Pirates!....die unglaubliche Freiheit beim spielen!

Ihr startet also mit einem kleinen Haufen Männer und einem halbwegs brauchbaren Schiff im Heimathaften. Diese Städte dienen nicht nur als potenzielle Goldquellen bei Überfällen, sondern sind durchaus ganz praktisch. Vorallem wenn sie unter der Flagge eurer Nation stehen. Denn hier könnt ihr geraubte Waren verticken, eure Schiffe reparieren, in der Taverne neue Matrosen anheuern oder euch zu einem Plausch mit dem Gouverneur begeben. Letzterer hat eine Vorliebe für das Vergeben von speziellen Aufträgen und außerdem zumeist gar reizende Töchter, mit denen ihr in diesem Remake des Originals nun sogar das Tanzbein schwingen dürft. Wehe dem, der weder Taktgefühl noch eine schnelle Auffassungsgabe hat...




Seid ihr irgendwann auf See ausgelaufen, werdet ihr nicht lange bis zum ersten Zusammenstoss mit dem Feind brauchen, wobei Pirates! euch dann die Seeschlacht nachspielen lässt. Da die verschiedenen Boote (27 an der Zahl!) auch unterschiedliche Eigenschaften haben, verlaufen die Gefechte oft sehr viel taktischer als man auf den ersten Blick erwarten würde. Eine große Fregatte kann zwar viel mehr Kanonen an Bord haben als eine Schaluppe, ist aber nicht so manövrierfähig. Bei günstigen Windverhältnissen ist es also durchaus möglich, einen scheinbar übermächtigen Gegner so lange unter Beschuss zu nehmen, bis die feindliche Mannschaft stark genug dezimiert wurde, um einen direkten Angriff zu wagen.



Nachdem die Schiffe ineinander gedonnert sind, bestimmen die Anzahl der Matrosen und der Mut der jeweiligen Kapitäne den weiteren Verlauf des Geschehens. Hat man den Feind genügend eingeschüchtert, kann es durchaus passieren, dass sich dieser ohne weiteren Kampf ergibt. Wesentlich spannender ist es allerdings, wenn sich die gegnerische Mannschaft weiter wehrt. In diesem Fall muss der Spieler sein Können mit der Klinge unter Beweis stellen und den feindlichen Kommandanten besiegen, bevor ein Schiff offiziell den Besitzer wechselt.



Die Gouverneure der verschiedenen Städte belohnen bestimmte Leistungen immer wieder mit Titeln und Land. Man ist nicht darauf beschränkt, nur die Wünsche der eigenen Nation zu erfüllen. Es ist durchaus möglich sowohl den Rang eines Admirals bei den Franzosen als auch die Position eines Barons bei den Spaniern zu erreichen. Wirklich bei allen Seemächten beliebt zu sein ist aber ein sehr schwieriges Unterfangen, da man ja schließlich gegen irgendjemanden kämpfen muss, um Beute zu machen. Hat man es sich aufgrund einer Vielzahl von Verbrechen endgültig mit einem Land verscherzt, sollte man deren Häfen großräumig umfahren, da sonst sofort das Feuer eröffnet wird. Auch Piratenjäger, die es auf eine fette Belohnung abgesehen haben, machen Macintosh Besitzern nun das Leben schwer.




Da ständig neue Kriege ausbrechen oder alte Streitigkeiten beigelegt werden, lohnt es sich immer, die aktuelle politische Lage im Auge zu behalten. Diverse Einwohner der Städte verfügen über wichtige Informationen wie den Aufenthaltsort besonders reicher Piraten oder die Routen von Geldtransporten. Im Gegensatz zur Realität ist es also äußerst karrierefördernd viel Zeit in den Hafenkneipen zu verbringen, wo auch meistens ein paar zwielichtige Gestalten zu finden sind, die sich der eigenen Crew anschließen. Wer das nötige Kleingeld besitzt und ein wenig Glück hat, kann in einer Spelunke auch nützliche Gegenstände oder Schatzkarten erwerben.



Sid Meier's Pirates! bietet eine beeindruckende Spieltiefe und lässt uns Apfel-Freunden ungewöhnlich viele Freiheiten. Ob man nun ein besonders berüchtigter Vertreter seiner Zunft wird, alle vergrabenen Schätze aufspürt oder sich verstärkt um das Finden der verschollenen Familienmitglieder kümmert, bleibt jedem selbst überlassen. Es gibt zwar eine bestimmte Reihenfolge von Aufgaben, die man bewältigen kann, um am Ende Rache zu üben, aber diese vorgegebenen Herausforderungen sind keine Pflichtübung. Auch das Leben eines Gesetzlosen dauert nicht ewig. Wenn die körperlichen Kräfte zu stark geschwunden sind, um seine Karriere weiter fortzuführen, kann man sich zur Ruhe setzen und erfährt endlich, ob sich all die virtuellen Jahre ausgezahlt haben. Statt einem aufwändigen Abspann endet Pirates! immer mit einer umfangreichen und interessanten Analyse des Freibeuter-Daseins.



Es gibt in der Pirates!-Welt einfach zu viel zu tun, um in diesem Testbericht wirklich auf alle Details einzugehen, ohne die Aufmerksamkeitsspanne jedes Mac Gamer Lesers zu überfordern. Daher versuche ich mich auf die wichtigsten Bestandteile des Gameplays zu beschränken. Es ist möglich Städte anzugreifen, was besonders viel strategisches Geschick erfordert. Schnelle Finger bringen gar nichts, wenn Truppen, die unterschiedliche Fähigkeiten besitzen, rundenbasiert über eine Karte geschoben werden müssen. Die Schwertkämpfe hingegen benötigen zumindest eine sehr schnelle Auffassungsgabe, obwohl dieses Mini-Game kein wirklich komplexes Kampfsystem bietet. Außer Blocken und Schlagen gibt es nicht viel zu tun, doch vor allem wenn man auf einem höheren Level spielt oder die eigene Spielfigur schon ein wenig älter und langsamer geworden ist, wird es wichtig, die Angriffe des Gegners schnell einzuschätzen Ein Hauch von Metal Gear Solid kommt auf, wenn man sich in einer Nacht- und Nebel-Aktion in eine feindliche Stadt schleicht und versuchen muss, die Wachen zu umgehen.



Sid Meier's Pirates! ist ein gutes Spiel - aber auch mit einigen deutlichen Macken. Obwohl es so viel zu tun gibt, verschiesst das Game in einigen Bereichen sein Pulver einfach viel zu schnell. So hat man beispielsweise nach etwa 2-3 Stunden fast jeden Schiffstyp gesehen, den es gibt. Wenn man nun bedenkt, dass noch gut etwa 15 Stunden folgen, bevor man sich in den Ruhestand begeben muss, warten also nur noch wenige Überraschungen auf hoher See. Selbst Neulinge sollten übrigens mindestens einen Schwierigkeitsgrad überspringen, um den Langzeitspaß zu erhöhen.

Auf dem Einsteigerlevel scheint es nahezu unmöglich zu sein überhaupt etwas falsch zu machen. Selbst wenn man mit einer Schaluppe samt Mini-Crew das größte und gefährlichste Schiff auf dem Ozean attackiert, stehen die Chancen gut, das Duell für sich zu entscheiden. So nennt man innerhalb weniger Minuten eine Kriegsgaleone, die bereits mit allen Extras ausgerüstet ist, sein Eigen. Sicherlich anfangs ein schönes Gefühl, aber nicht gerade motivierend. Eine bessere Einteilung der Überraschungen hätte dem Game sehr gut getan.





Hinsichtlich der Präsentation ist Sid Meier's Pirates! ganz in Ordnung, aber man sieht dem im Rahmen der neuen Feral Legends Reihe veröffentlichten Titel sein Alter eben doch an. Es ist zwar kein hässliches Spiel, aber es gibt auch keine optischen Highlights. Wo andere aktuelle Games mit aufwändigen Effekten glänzen, hält sich das Seefahrer-Abenteuer vornehm zurück - immerhin die Animationen der Spielfiguren sind ordentlich und wenn die Kamera mal nah genug an die Schiffe zoomt, was aus Gründen der Übersichtlichkeit eher selten geschieht, erkennt man mehr Details, als man aus der Ferne vermutet hätte. Allerdings ist Pirates! recht genügsam - wie von Feral Interactive angekündigt läuft das Spiel absolut einwandfrei auf einem MacBook (siehe unten) und kommt nur bei einem Dutzend Schiffe gleichzeitig ins stottern. Um ein paar Zahlen als Anhaltspunkt zu liefern - einen Power PC mit mindestens 1,6 Ghz, 512 MB RAM und 64 MB Grafikkarte sind als unterste Grenze anzusehen, alles was darüber geht, tut dem Piraten-Abenteuer gut.




Übrigens - wer hoffte, dass die Feral Jungs der Mac-Version womöglich auch den später für die Konsolen Fassungen noch nachgereichten Multiplayer Modus eingebaut haben, wird leider enttäuscht. Obwohl sicherlich perfekt für kleine Online-Schlachten, dürfen bei Pirates! lediglich Einzelspieler ran. Ebenso hätte die deutsche Übersetzung durchaus noch etwas mehr Mühe verdient gehabt und einige kleinere Bugs verlangen noch nach einem Update - schade!

Sebastian meint:

Sebastian

Ich hatte mich ehrlich gesagt verdammt gefreut, als Feral den Titel angekündigte. Und wie sich zeigen sollte, war die Freude nicht umsonst - Sid Meier's Pirates! ist zwar nicht mehr ganz taufrisch und auch kein Überhit, für Freunde des ausgefallenen Spielprinzips aber ein Segen und zudem neu bereits zum Preis von ca. 25,- Euro erhältlich. Nachwuchs Seeräuber sollten folglich nicht mehr lange fackeln und gleich zum Entern übergehen!

Positiv

  • Unsterbliches Spielprinzip
  • Freier Spielablauf
  • Charme & Atmosphäre des Orginals

Negativ

  • Höhepunkte nicht optimal gesetzt
  • Präsentation nur Mittelmaß
  • Kein Multiplayer
Userwertung
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Sid Meier's Pirates! Daten
Genre -
Spieleranzahl 1
Regionalcode Regionfree
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit August 2008
Vermarkter FeralInteractive
Wertung 7.4
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neXGam YouTube Channel
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