Cold Winter im Test

PlayStation2
Der nächste James Bond Film wird noch eine ganze Weile auf sich warten lassen. Seit Monaten werden immer wieder neue Namen genannt, wenn es darum geht, wer den britischsten aller Geheimagenten in seinem nächsten Abenteuer spielen soll. Wenn das so weiter geht, könnten noch Jahre vergehen, bis der allseits beliebte Smoking-Träger wieder antritt, um die Welt zu retten. Natürlich hinterlässt unser Held in der Zwischenzeit eine gewaltige Lücke in der Entertainment-Branche. Die Programmierer von Swordfish Studios haben die günstige Gelegenheit erkannt und lassen in diesem Sommer einen neuen Staatsdiener ihrer Majestät auf die Menschheit los. Cold Winter nennt sich der PS2-Shooter, der zwar ohne teure Lizenz auskommt, aber dennoch deutliche Parallelen zu Ian Flemings spannenden Geschichten aufweist.
Nachdem der schön gemachte Vorspann über den Bildschirm geflimmert ist, hat man schnell das mulmige Gefühl, dass hier etwas zu freizügig Story-Elemente von James Bond Filmen entliehen wurden. Der alternde MI6-Agent Andrew Sterling hat zu hoch gepokert und landet nach einer verpatzten Mission in einem chinesischen Knast der schlimmsten Sorte, wo er die nächsten sechs Monate seines Lebens verbringt.



'Agentenalltag: In verschlungenen Höhlensystemen macht man Jagd auf Terroristen und versucht ihre düsteren Pläne zunichte zu machen.'

Klingt irgendwie so, als hätte man es schon mal gehört, oder? Dem ist auch so, denn bis zu diesem Punkt ist die Geschichte praktisch identisch mit Pierce Brosnans letztem großem Leinwand-Abenteuer als 007. Lediglich der Held hat einen anderen Namen und die Bösewichte sind keine Nordkoreaner. Glücklicherweise schlägt das Spiel aber schon kurze Zeit später eine etwas andere Richtung ein. Die Ähnlichkeiten zum offensichtlichen Vorbild werden weniger, tauchen aber immer mal wieder auf, was sicherlich auch gewollt ist. Insgesamt gesehen ist es vor allem die spannende Geschichte, die in erstaunlich ausführlichen Cutscenes erzählt wird, die zum Weiterspielen motiviert. Nachdem Andrew aus dem Gefängnis entkommen ist, beginnt erst das eigentliche Abenteuer. Der mysteriöse Dan Perish hat Verwendung für den Mann, der offiziell gar nicht existiert, und schickt ihn gemeinsam mit der Agentin Kim um den halben Erdball, mit dem Ziel, einem hinterlistigen Terroristen das Handwerk zu legen.

Während der ersten Stunde vor der Konsole erlebt man immer wieder Situationen, in denen man denkt: “Hey, das ist ja mal eine richtig geniale Idee.“ Leider weicht diese anfängliche Euphorie viel zu schnell der Ernüchterung. Bestes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass die Umgebung in Cold Winter deutlich interaktiver ist als in vielen anderen Ego-Shootern. Es ist wirklich beeindruckend, wieviele Objekte man durch Waffenbeschuss oder mit virtueller Muskelkraft manipulieren kann. Steht irgendwo ein Tisch herum, hat man eine Vielzahl von Möglichkeiten, dieses Möbelstück für die eigenen Zwecke zu missbrauchen. Obwohl die sofortige Zerstörung für ballerfreudige Zocker oft verführerisch wirkt, empfiehlt es sich, eventuell den Tisch umzustoßen, damit er im nächsten Feuergefecht als Deckung dient.

Immer wieder darf man diverse Teile der Einrichtung schieben, ziehen, drehen oder werfen. Dummerweise ist das nur selten wirklich notwendig, denn weder die Gegner noch das Leveldesign fordern dem Spieler den durchdachten Einsatz seiner innenarchitektonischen Fähigkeiten ab. Cold Winter lockt also mit großen Versprechen, löst sie dann aber nie ein.


'Darf in keinem Shooter fehlen: Das gute alte Scharfschützengewehr.'

Sehr ähnlich verhält es sich mit vielen anderen Aspekten des Spiels. In Menüs lassen sich diverse Gegenstände kombinieren, um neue nützliche Dinge herzustellen, die aber, genau wie der Rest der Ausrüstung, viel zu selten gebraucht werden. Das große Waffenarsenal, das von der handlichen Kleinkaliber-Pistole über Granaten bis hin zum Flammenwerfer alles bietet, was das Spielerherz begehrt, reicht meistens vollkommen aus, um sich durch die Reihen der Gegner zu arbeiten. Es kommt einem tatsächlich fast so vor, als wäre es den Programmierern peinlich gewesen, einen reinrassigen Shooter abzuliefern und als hätten sie deshalb noch eine ganze Reihe von Features integriert, um vom eigentlichen Spiel abzulenken. Die Möglichkeit sich ruhig zu verhalten und sich in bester Solid Snake-Manier an seine Feinde heran zu schleichen ist zwar vorhanden, aber bringt oft nur so minimale Vorteile, dass viele Zocker sie gar nicht nutzen werden.

Sonderlich knifflig wird Cold Winter auf dem normalen Schwierigkeitsgrad eigentlich nicht. Eine Markierung auf dem Bildschirm weist immer den Weg zum nächsten Einsatzziel und die meisten der Mini-Rätsel beschränken sich auf das Finden bestimmter Gegenstände oder das Platzieren von Sprengladungen. Es mag sich zwar seltsam anhören, aber unser Agent ist im Besitz eines Erste-Hilfe-Kastens, der nie leer wird. Das ist aber nicht so schlimm wie es klingt, denn in einem richtigen Feuergefecht ist es wenig ratsam, sich selbst zu verarzten, da dieser Vorgang mehrere Sekunden dauert und man währenddessen ein leichtes Ziel abgibt.



'Viel zu selten fahren die Gegner schweres Geschütz wie diesen Panzer auf.'

Nach etwas mehr als 10 Stunden sollten die meisten Zocker das Ende erreicht haben. Spätestens an diesem Punkt wird ein weiteres Manko deutlich. Die vielen Gefechte bringen zwar Spaß und die Feinde lassen ein gesundes Maß an künstlicher Intelligenz erkennen, aber leider mangelt es Cold Winter an echten Höhepunkten. So gut die Spannung in den Zwischensequenzen auch aufgebaut wird, im eigentlichen Game hat man es viel zu häufig mit niederen Schergen zu tun. Es gibt zwar ein paar Situationen, die tatsächlich Abwechslung bringen, wie der Kampf gegen einen Hubschrauber im zweiten Level, aber solche Überraschungen sind einfach zu selten.

Ist der Abspann erst einmal über den Bildschirm geflimmert, gibt es für den Einzelspieler nicht mehr viel zu tun. Man kann natürlich jede der 16 Missionen noch einmal bestreiten. Durch hohe Treffgenauigkeit sowie dem Aufspüren wichtiger Dokumente und anderer kleiner Geheimnisse ist es möglich, einen höheren Rang in jedem Level zu erreichen, doch leider scheinen solche Bemühungen mit keinerlei interessanten Extras belohnt zu werden. Zum Glück darf man aber auch im Splitscreen mit bis zu vier Spielern oder Online auf den Gamespy-Servern seiner Ballerlust freien Lauf lassen. Rund ein Dutzend Karten stehen hier zur Verfügung und obwohl die Spielvarianten auf sechs Klassiker wie beispielsweise Deathmatch oder Capture the Flag beschränkt sind, wird hier genug geboten, um Cold Winter zu einer lohnenden Investition für Freunde des Genres zu machen. Das Fehlen eines kooperativen Modus ist allerdings im Jahr 2005 nicht mehr zeitgemäß.

Es muss darauf hingewiesen werden, dass die deutsche PAL-Fassung deutlich entschärft wurde. Trotz der Tatsache, dass Cold Winter hierzulande keine Jugendfreigabe erhalten hat, wird das Ableben der Gegner nicht annährend so detailliert gezeigt wie in anderen Versionen. Obwohl ich mich eher zu den Spielern zähle, denen ein gutes Gameplay wichtiger ist als eine möglichst blutige Darstellung von Gewalt, muss ich zugeben, dass Cold Winter durch die Änderungen viel von seinem Reiz verliert. Wenn man innerhalb eines Levels immer wieder die gleichen Gänge durchwandert und ganze Horden voller ähnlicher Feinde in die ewigen Jagdgründe schickt, will man wenigstens etwas optische Abwechslung geboten bekommen.


'Ein Spiel in Herbstfarben. Grau, braun und schmutzig sind die Töne, die das Bild meistens bestimmen.'

Wenn es aber keinen großen Unterschied macht, ob man auf Kopf, Arme oder Beine schießt, so trübt das auf Dauer die Atmosphäre und lädt nicht gerade dazu ein, sich mit den Feinheiten des Anvisierens vertraut zu machen. Geblieben sind die gelungenen Ragdoll-Animationen, die offensichtlich gut an die Feuerkraft der verschiedenen Vernichtungswerkzeuge angepasst wurden und oft sehenswert sind. Die zufällige Art und Weise, in der ein Gegner letzten Endes liegen bleibt, nachdem er mit ausreichender Wucht getroffen wurde, ist durchaus für ein paar Überraschungen gut.

In akustischer Hinsicht weiß Cold Winter zu gefallen. Die Waffengeräusche klingen äußerst realistisch und die hervorragenden deutschen Sprecher schaffen es tatsächlich, dass man im Laufe des Spiels eine gewisse emotionale Bindung zu Andrew und seinen Mitstreitern aufbaut. Auch die musikalische Untermalung ist immer passend und bietet genügend Abwechslung. Leider kann man gerade das von der Grafik nicht behaupten. Die unscharfen Texturen und die eingeschränkte Farbpalette können auf die Dauer fast depressiv machen. In manchen Levels bewegt man sich durch weitläufige Areale und wird dann oft Zeuge unschöner Pop-Ups am Horizont. Während einige Animationen und Explosionseffekte die Note gut verdienen, sind andere richtig übel. Wirklich schlimm wird es beispielsweise, wenn Andrew den Flammenwerfer zückt. Selbst auf der PSone hat man schon deutlich realistischeres Feuer gesehen.


'Ob das so eine gute Idee ist? Auch direkt vor einem Atomreaktor ballert Andrew fröhlich weiter.'

Tim meint:

Tim

Man darf Cold Winter guten Gewissens als solides Actionspektakel bezeichnen, aber die erhoffte Offenbarung für shooterbegeisterte PS2-Besitzer ist es leider nicht geworden. Obwohl das Game viele sehr gute Ansätze zeigt und durchaus mit originellen Ideen aufwartet, gibt es keinen Bereich, in dem es sich wirklich von der großen Masse der Konkurrenten absetzen kann. Die gute Story tröstet zwar ein wenig über die triste Grafik hinweg, nicht aber über die Tatsache, dass Cold Winter immer wieder versucht, eine Spieltiefe vorzugaukeln, die es einfach nicht besitzt. Online- und Splitscreen-Zocker bekommen altbewährte Kost geboten, was keinesfalls negativ gemeint ist. Für ein paar Runden bleihaltiger Balleraktion ist das Game nämlich immer wieder gut.

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Forum
  • von BlackLion:

    Original von DesMan Wie siehts denn in dem Game so mit der Spielzeit aus? naja hängt davon ab wie lange du vor der Konsole abhängst aber mehr als 2 Tage denke ich mal wirst zum durchspielen nich brauchen aber wenn du danach gehst hast du ja die meisten ego shooter sehr...

  • von Cyrez:

    Wie siehts denn in dem Game so mit der Spielzeit aus?

  • von BlackLion:

    Original von Darkshine Cold Winter gibts im Karstadt jetzt für 6,99¬. Lohnt es sich auch in der geschnittenen deutschen Fassung? Ich habs ja lieber uncut. mein Tip guck dich nach der Uncut version um die sollte mitlerweile auch nich mehr so teuer sein Das Game lohnt sich...

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Cold Winter Daten
Genre Ego-Shooter
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion -
Verfügbarkeit 17.06.2005
Vermarkter VivendiUniversal
Wertung 6.8
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neXGam YouTube Channel
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