Toy Soldiers: Cold War im Test

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Plastiksoldaten ist es nie gelungen deutsche Kinderzimmer zu erobern. Besorgte Eltern und Pädagogen sorgen dafür, dass sich ein Großteil der Kinder nur auf ernsthafte Art und Weise, vorzugsweise im Geschichtsunterricht, mit dem Thema Krieg auseinandersetzen kann. Ob das der richtige Weg ist, bleibt ungeklärt. Sicher ist, dass jenseits unserer Grenzen der Zeigefinger deutlich seltener erhoben wird. In den USA sind Plastiksoldaten und ihre Ausrüstung längst ein fester Bestandteil der Popkultur. Millionen kleiner Amerikaner haben in den letzten Jahrzehnten Armeen gesammelt, historische Schlachten nachgestellt und mit Lupen den Schmelzpunkt ihrer Spielzeugkämpfer erforscht. Die Toy Soldiers-Reihe appelliert an die nostalgischen Gefühle solcher ehemaliger Kinderzimmer-Feldherren. Doch kann die gewagte Mischung aus Action und Strategie auch Gamer überzeugen, die auf eine pazifistische Kindheit voller Holzspielzeug zurückblicken? Wir haben den zweiten Teil mit dem düsteren Untertitel Cold War für euch getestet.

Während im Vorgänger die Schlachtfelder des ersten Weltkriegs die Kulissen bildeten, konzentriert sich die Fortsetzung auf die jüngere Vergangenheit. Der Konflikt zwischen den USA und der Sowjetunion, der bis in die 80er Jahre andauerte, steht diesmal im Mittelpunkt. Auf historische Genauigkeit wird dabei wenig Wert gelegt. In Toy Soldiers: Cold War wird der kalte Krieg heiß. Im elf Levels umfassenden Karrieremodus treffen die beiden Supermächte mit ihren Armeen immer wieder aufeinander. Die Kämpfe toben im Dschungel von Vietnam, vor der Berliner Mauer und an vielen weiteren Schauplätzen, bevor die Russen in der letzten Mission einen Großangriff auf Washington D.C. starten.


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Man kann natürlich darüber streiten, ob dieses Game kriegsverherrlichend ist oder eher als Satire verstanden werden kann. Jedenfalls haben die Macher alles getan, um zu verdeutlichen, dass Toy Soldiers: Cold War nicht ernst gemeint ist. Immer wieder fällt auf, dass man sich eben nicht in einem düsteren Endzeitalbtraum befindet, sondern in einem virtuellen Kinderzimmer. Bunte Farben bestimmen das Bild und der Humor kommt nicht zu kurz, wenn man sieht, mit welchen Mitteln die Welt konstruiert wurde. Aus Jenga-Blöcken werden Häuser, Spraydosen dienen als Geschütze und immer wieder fallen im Hintergrund gigantische Einrichtungsgegenstände auf, die das Geschehen in die richtige Perspektive rücken. Auch der Tod oder besser gesagt die Zerstörung der Fußsoldaten wurde sehr zurückhaltend in Szene gesetzt, denn Plastik blutet auch im Videospiel nicht.


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Am Grundprinzip hat sich auch im zweiten Teil der Reihe nichts geändert. Wieder werden Elemente aus den allseits beliebten Tower Defense Games mit geradliniger Ballerei gekreuzt. Das Ergebnis ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber auch sehr spaßig. Die Hauptaufgabe des Zockers ist es, seine Spielzeugkiste vor feindlichen Truppen zu verteidigen. Dies geschieht, indem Geschütze aufgestellt werden, die das Feuer eröffnen, sobald sich böse Invasoren nähern. Hört sich langweilig an? Ist es nicht! Um erfolgreich zu sein, ist sehr viel taktisches Geschick nötig. Die finanziellen Ressourcen sind beschränkt und so lassen sich zu Beginn oft nur Einheiten mit wenig Durchschlagskraft platzieren. Spätestens wenn die Gegenseite Panzer oder gar Kampfflieger schickt, bringen Maschinengewehre allerdings wenig. Darum muss das Geld, was durch das Zurückschlagen einer Welle verdient wird, schlau investiert werden. Mörser, Stellungen mit Flugabwehrraken und viele weitere Werkzeuge lassen sich kombinieren, um eine möglichst undurchdringliche Verteidigungslinie aufzubauen. Im Laufe der Zeit werden immer neue Erweiterungen verfügbar, mit denen bereits platzierte Objekte aufgerüstet werden können. Trotz der Optionsvielfalt ist es dank einer intelligenten Tastenbelegung leicht, das Gebiet zu bebauen. Allerdings kann das Navigieren auf der Karte mit beiden Analogsticks schon mal nerven. Es dauert einfach zu lange, immer wieder rauszuzoomen, sich neu zu orientieren und den nächsten Krisenherd auf der Karte anzusteuern. Hier hätte eine schnellere Lösung nicht geschadet.

Wie bereits erwähnt, ist Action die zweite wichtige Zutat im originellen Toy Soldiers-Genremix. Die braven Truppen verrichten ihren Kriegsdienst zwar auf Wunsch vollautomatisch, deutlich effektiver ist es jedoch, persönlich ins Geschehen einzugreifen. Per Knopfdruck übernimmt der Zocker die Kontrolle über jede Waffe und kann sofort los ballern. Nur so lassen sich viele Punkte sammeln und wer besonders zielsicher ist, wird gelegentlich mit einem schicken Extra belohnt, das sich direkt einsetzen lässt. Eine Atombombe, die merkwürdigerweise keine schädliche Langzeitwirkung hat, dezimiert die Gegner innerhalb einer Sekunde. Deutlich lustiger ist es aber als nahezu unverwundbarer Rambo-Verschnitt einige Sekunden lang mit Maschinengewehr und Bazooka für Ruhe zu sorgen. Stimmungssteigernd wirken sich auch die diversen mobilen Maschinen aus. Von Panzern über Helikopter bis hin zu Flugzeugen ist alles vorhanden, was das kalte Kriegerherz begehrt.


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Alle Geschütze und Fahrzeuge haben ihre Eigenheiten, was gleichermaßen genial und problematisch ist. Toy Soldiers: Cold War ist ein unglaublich dynamisches Spiel. Während einer einzigen Mission muss sich der Oberbefehlshaber mehrfach mit einer neuen Steuerung anfreunden, was einerseits das Aufkommen von Langeweile verhindert, andererseits aber auch Frust auslösen kann. Sobald man die Kontrolle über ein Vernichtungswerkzeug übernommen hat, wird einige Sekunden lang die Tastenbelegung eingeblendet. Leider reicht die Zeit bei komplexeren Maschinen mit unterschiedlichen Angriffsmöglichkeiten nicht, um wirklich alles zu verinnerlichen. Doch Übung macht den Meister und nach einigen Versuchen ist klar, was zu tun ist. Einfache Geschosse, Granaten und Fernlenkraketen samt eingebauter Kamera lassen sich nach etwa einer Stunde problemlos bedienen. Lediglich einige Fluggeräte bleiben störrisch. Ganz besonders schlimm ist der Jet, der sich so schwerfällig lenkt wie ein LKW mit Flügeln.


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Die Karriere kann deutlich länger begeistern als es die Anzahl der Levels vermuten lässt. Vier Schwierigkeitsgrade stehen zur Verfügung und bieten auch knallharten Actionprofis jede Menge Herausforderungen. Wer nie genug kriegen kann, darf sich in den endlosen Überlebenslevels austoben. Perfektionisten hingegen können eine kleine Ewigkeit damit verbringen die diversen Medaillen zu sammeln, die in jeder der Missionen erzockbar sind. Die Mini-Games sind allerdings kein Grund in Ekstase zu verfallen. Bei den meisten der kleinen Aufgaben wurde lediglich das aus dem Hauptspiel bekannte Regelwerk leicht abgeändert. Um sich mit dem Multiplayer-Modus anfreunden zu können, ist ein hohes Maß an Stressresistenz nötig. Die 2-Spieler-Duelle, die wahlweise auch über Xbox-Live ausgefochten werden können, sind noch hektischer als die regulären Missionen, da Angriff und Verteidigung gleichzeitig koordiniert werden müssen. Angenehmer ist es, die Kommunisten kooperativ zu bekämpfen, was ebenfalls im Splitscreen oder online machbar ist.

Toy Soldiers: Cold War ist nicht frei von technischen Macken, die den Spaß ein wenig mindern. Die langen Ladezeiten wären gerade noch erträglich, wenn nicht zusätzlich noch jede Mission mit einem nicht überspringbaren Intro eingeleitet würde. Bei einem Spiel dieser Art manövriert man sich gelegentlich in ausweglose Situationen und es nervt einfach gewaltig, wenn nach dem Neustart viele Sekunden wertvoller Lebenszeit verstreichen, bis der nächste Versuch gestartet werden darf.


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Grundsätzlich ist die Grafik sehr gelungen und ein weiteres Beispiel dafür, dass die Lücke in der Optik zwischen Download-Games und Veröffentlichungen auf klassischen Datenträgern immer kleiner wird. Die Einheiten überzeugen zwar eher durch Masse als Klasse, das fällt jedoch kaum auf. Es passiert so viel gleichzeitig auf dem Bildschirm, dass gar keine Zeit für Detailverliebtheit bleibt. Leider geht die Framerate manchmal in den Keller, wenn der Fernseher bis zum letzten Winkel mit Fahrzeugen, Infanterie, Hubschraubern und Explosionen gefüllt ist. Es bleibt nicht nur bei kleinen Rucklern. Manchmal verkommt Toy Soldiers: Cold War mehrere Sekunden lang zur Diashow, was die Stimmung empfindlich stört. Beeindruckend ist hingegen, dass nicht nur die Gegner zerstört werden können, sondern auch große Teile der Kulissen.


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Der Soundtrack klingt, als würde er direkt aus einem Low-Budget-Actionfilm der 80er Jahre stammen. Zu den schnellen Instrumentalstücken könnten sich auch problemlos Chuck Norris oder Dolph Lundgren durch die feindlichen Massen metzeln. In einem der Levels erklingt sogar ein Song samt Gesang, der offensichtlich eine Homage an Danger Zone aus dem antiken Blockbuster Top Gun ist. Auch die Soundeffekte passen perfekt zur Materialschlacht, die auf dem Bildschirm tobt. Es lohnt sich also die Boxen voll aufzudrehen, damit die Explosionen und das Waffenfeuer voll zur Geltung kommt. Ein kleines Lob gebührt dem Sprecher des Plastikrambos, der sich tatsächlich anhört wie Stallone persönlich und einige brüllend komische Einzeiler zum Besten gibt.

Tim meint:

Tim

Dieses Spiel liefert Befürwortern von Zensur in Videospielen jede Menge neues Futter, weil mit Hilfe von Spielzeug Kriege auf dem Bildschirm inszeniert werden können. Wer allerdings etwas nachdenkt, wird feststellen, dass Toy Soldiers: Cold War kein Spiel für Kinder ist, sondern eine USK-Freigabe ab 16 Jahren hat. Es dürfte außerdem weniger verwerflich sein, virtuelles Plastik zu schmelzen als virtuelle Menschen zu flambieren. Doch genug von dem moralischen Dilemma. Der zweite Teil der XBLA-Reihe hat einen tollen Umfang, der den Preis von 1200 MS-Points rechtfertigt. Auch das Gameplay ist, abgesehen von kleineren Steuerungsmacken, gelungen. Abwechslungsreiche Schlachten mit individuellen Lösungswegen motivieren zum mehrmaligen Durchzocken. Echt fies sind leider die Framerate-Probleme und der Multiplayer-Modus ist ebenfalls gewöhnungsbedürftig. So reicht es nicht zum Megahit, aber Actionfans, die ein wenig Strategie vertragen können, sollten dennoch zuschlagen.

Positiv

  • Sehr abwechslungsreicher Genre-Mix
  • Tolle Langzeitmotivation trotz weniger Levels

Negativ

  • Stotternde Framerate
  • Hektische Multiplayer-Duelle
Userwertung
8.3 1 Stimmen
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Toy Soldiers: Cold War Daten
Genre Genre-Mix
Spieleranzahl 1-2
Regionalcode -
Auflösung / Hertz -
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 17.08.2011
Vermarkter Microsoft Game Stud
Wertung 8.1
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