World of Goo (WiiWare) im Test

Nintendo Wii
Die Entstehungsgeschichte von World of Goo ist so spektakulär, dass man sie problemlos als Vorlage für ein Hollywood-Drama verwenden könnte. Die Kurzfassung des oscarverdächtigen Streifens würde folgendermaßen lauten: Kyle Gabler und Ron Carmel sind zwei frustrierte Programmierer bei einem der bekanntesten Konsolen- und Computerspielhersteller des Planeten. Als die beiden feststellen, dass ihr Arbeitgeber keinen Sinn für kreative Experimente hat, verzichten sie auf ihren monatlichen Gehaltscheck und beschließen, ihre Träume allein zu verwirklichen. Sie erreichen das Unmögliche. Mit wenig Unterstützung, noch weniger Geld, furchtbar wenig Schlaf und viel Open Source Software erschaffen sie ein Puzzle-Game namens World of Goo, das kurze Zeit später tatsächlich für PC und Nintendo Wii veröffentlicht wird. Das Download-Spiel wird von den Kritikern mehr gelobt als alles, was EA (ja, das war der Großkonzern bei dem unsere Helden früher angestellt waren) in den letzten Monaten auf den Markt geworfen hat und räumt jede Menge Preise ab. Ob der WiiWare-Titel tatsächlich so genial ist, erfahrt ihr in unserem Testbericht.

Die schwarzen Goos tauchen besonders häufig auf. Doch schon bald bestimmen bunte Kugeln mit noch merkwürdigeren Fähigkeiten das Bild.


Auf den ersten Blick glaubt das geschulte Zockerauge einen weiteren Teil der PSP-Serie Loco Roco vor sich zu haben. Doch keine Sorge, Nintendo wurde nicht von Sony übernommen und außer Optik und Genrezugehörigkeit haben die Games kaum Gemeinsamkeiten. Wie so häufig bei guten Knobelspielen ist das Grundprinzip sehr einfach verständlich und kann innerhalb einer kurzen Experimentierphase verinnerlicht werden. Trotzdem fällt es schwer, jemandem World of Goo zu erklären, der gerade nicht vor seiner Konsole sitzt und das bunte Treiben direkt vor Augen hat. Im ersten Titel des Mini-Teams 2D Boy wird der Zocker zum Architekten in einer verrückten Welt, in der ganz eigene physikalische Gesetze herrschen. Kleine Schleimkugeln, auch Goo genannt, sind gleichzeitig Bewohner und Baumaterial in diesem Kosmos. Ähnlich wie im ewigen Klassiker Lemmings muss der Wiimote-Halter so viele Lebewesen wie möglich zu einem rettenden Ausgang führen. Dieses edle Vorhaben wird in die Tat umgesetzt, indem man sich die glitschigen Bälle greift und sie neu positioniert. Zwischen den Kugeln entstehen Verbindungen, die von den nicht verbauten Artgenossen genutzt werden können, um sich fortzubewegen und letztendlich ihr Ziel zu erreichen. In jedem Level gibt es ein vorgeschriebenes Minimum an Goos, die gerettet werden müssen. Es lohnt sich allerdings das Soll überzuerfüllen, doch dazu später mehr.

Eine nachvollziehbare fortlaufende Story gibt es nicht. Trotzdem entwickelt World of Goo durch kryptische Mitteilungen, die auf Schildern innerhalb der Levels zu finden sind, und abgedrehte Zwischensequenzen einen ganz eigenen Charme. Jede Herausforderung steht unter einem bestimmten Motto. So wird der Spieler beispielsweise darauf hingewiesen, dass zwei der sympathischen Protagonisten schon seit Ewigkeiten eine Fernbeziehung führen. Um Ihr Glück komplett zu machen muss ein großer Graben überwunden werden. Bei so viel Romantik muss man selbstverständlich erste Hilfe leisten.


Gewagte Konstruktionen sind nötig, um die vielen Gefahren zu umgehen.


In den ersten paar Levels denkt der Puzzle-Kenner fast automatisch: “Ganz nett, aber das bleibt bestimmt nicht lange spannend.“ Wenig später wird er dann aber eines Besseren belehrt. Goo-Bälle in unterschiedlichen Farben tauchen auf und ihre speziellen Fähigkeiten stellen das Tüftlerhirn auf die Probe. Es gibt brennbare, unzerstörbare, hochelastische, explosive, flugfähige und viele andere Spezialkugeln. Über zwei Dutzend sind es insgesamt und jede Gattung hat Auswirkungen auf das Gameplay. Spätestens wenn das Erreichen eines Ausgangs die intelligente Kombination mehrerer Goo-Arten erfordert wird die Sache interessant. Ein tolles Leveldesign, das in regelmäßigen Abständen mit neuen Gefahren wie Wind, Feuer oder alles zermahlenden Maschinen aufwartet, trägt ebenfalls zu einem anspruchsvollen aber dennoch spaßigen Erlebnis bei.

Die Steuerung könnte kaum simpler sein. Im Grunde wird lediglich ein Cursor über den Bildschirm bewegt und einzelne Elemente lassen sich durch Knopfdruck greifen. Im Anschluss bewegt man die niedlichen Klopse mit Kulleraugen durch die Gegend und setzt sie an anderer Stelle wieder ab. Im späteren Verlauf gibt es auch Situationen, die entfernt an Bust-A-Move erinnern. In diesen Fall wird Schussrichtung und –stärke eingestellt, um die Goos anschließend in luftige Höhen zu befördern. Die einzige andere mögliche Aktion ist ein Lockruf, mit dem sich das lebendige Baumaterial an einen bestimmten Ort lotsen lässt. Leider wird auch das Scrollen einzig und allein durch die Bewegung der Wiimote ausgelöst. Bewegt man den Zeiger nah an den Rand, verschiebt sich die Ansicht in die entsprechende Richtung. Das kann schon mal zu ungewollten Aktionen führen und häufig kommt der Wunsch nach der Belegung eines zusätzlichen Knopfes oder des Analog-Sticks des Nunchuks auf, um eine bessere Kontrolle über das Geschehen zu haben. Ein weiteres kleines Ärgernis ist die relativ behäbige Geschwindigkeit mit der sich der Bildschirmausschnitt beeinflussen lässt. Da kommt es schon mal vor, dass sich die Ergebnisse einer mühsam geplanten Kettenreaktion in Bereichen abspielen, die der fleißige Baumeister nicht rechtzeitig erreichen kann.


Endlich! Die rettende Röhre ist nur noch wenige Zentimeter entfernt.


Der Star des Spiels ist und bleibt die völlig verrückte aber dennoch nachvollziehbare Physik, die den fantastischen Welten zugrunde liegt. Sind die Geheimnisse erst einmal ergründet, wird World of Goo nie unfair, da man sich auf bestimmte Gesetzmäßigkeiten blind verlassen kann. Das gilt für jedes der rund 50 Levels, die in mehrere Kapitel unterteilt sind. Da einige dieser Herausforderungen tatsächlich eine halbe Stunde oder mehr in Anspruch nehmen können, ist der Umfang durchaus ordentlich. Dennoch wäre ein Leveleditor zum Basteln eigener Rätsel definitiv das Sahnehäubchen auf dem Puzzlekuchen.

Damit die Langzeitmotivation nicht sinkt, haben sich die Macher einiges einfallen lassen. Beispielsweise darf ein frustrierendes Level einfach übersprungen werden. Durch das Anklicken von so genannten Zeitkäfern lässt sich die letzte Aktion rückgängig machen, was verhindert, dass sich der Wiimote-Halter nach einem kleinen Fehler mehrfach durch die gleichen Situationen quälen muss. In einer Art Bonuslevel landen alle zusätzlich gesammelten Goo-Bälle und dürfen zu einem Mega-Bauwerk kombiniert werden. Über das Internet wird dieser Turm mit den Leistungen anderer Architekten verglichen und besonders beeindruckende Konstruktionen landen sogar auf der World of Goo Webseite. So wie das gesamte Spiel ist auch diese Idee äußerst originell und lockt den Zocker selbst nach dem erstmaligen Durchspielen immer wieder vor die Konsole, um bei jeder Herausforderung das Maximum an zusätzlichen Bällen herauszuholen. Trotzdem ist das internationale Wettbasteln kein Ersatz für vernünftige Highscore-Listen, die man leider vergeblich sucht.


Monströse Riesenkugeln durch die Level zu befördern setzt viel strategisches Geschick voraus.

Eine faire Bewertung für den Multiplayer-Modus zu finden ist eine große Herausforderung. Im Grunde unterscheidet sich das gemeinsame Spiel nämlich überhaupt nicht von den Einzelgänger-Abenteuern. Jederzeit dürfen bis zu drei weitere Puzzlefans eine Wiimote in die Hand nehmen und direkt in das Geschehen eingreifen. Es macht eine Menge Spaß, sich gegenseitig Anweisungen zuzurufen und Pläne zu schmieden, um ein Level in Rekordzeit abzuschließen. Natürlich muss sich ein hektischer Zocker, der eine vorsichtig aufgebaute Konstruktion mit einer undurchdachten Aktion zum Einsturz bringt, die Vorwürfe seiner Mitstreiter gefallen lassen, was für hitzige Diskussionen sorgt. Die Multiplayer-Variante ist simpel, aber gleichzeitig bestens geeignet für einen langen und kommunikativen Abend vor dem aktuellen Nintendo-System. Raum für Verbesserungen ist aber dennoch vorhanden. Wie lustig und motivierend Spiltscreen-Wettkämpfe oder andere spezielle Modi für mehrere Zocker sein könnten, kann man sich beispielsweise sehr gut vorstellen, auch wenn man sie im Spiel vergeblich sucht.

In der Videospielsteinzeit war es absolut üblich, dass ein oder zwei Personen ein komplettes Spiel entwarfen und programmierten. Heutzutage wird oft eine komplette Etage in einem japanischen Hochhaus mit der gleichen Aufgabe betraut. Der Grund dafür liegt auf der Hand: mit den technischen Möglichkeiten sind auch die Ansprüche der Konsumenten gestiegen. Eine Armee von Künstlern, Animateuren, Designern und Komponisten ist notwendig, um ein ansprechendes Game zu entwickeln. World of Goo ist eine bemerkenswerte Ausnahme dieser Regel. Wenn man die Größe des Teams bedenkt, erwartet man ein Produkt, das optisch auf Sparflamme kocht und auch in Sachen Sound nicht viel Abwechslung bietet. Doch genau das Gegenteil ist der Fall. Der Erstling von 2D Boy sieht richtig gut aus. Lustig animierte bunte Figuren tummeln sich zu Dutzenden vor liebevoll gestalteten Hintergründen. Alles ist in Bewegung, so dass keine Langeweile aufkommt und mit Überraschungen wird nicht gegeizt. Wir wollen nicht zu viel verraten, aber große optische Veränderungen erwarten den Spieler nach Abschluss des dritten Kapitels. Von Zeit zu Zeit wird das Auge mit gelungenen, wenn auch nicht spektakulären, Explosionen oder ähnlichen Effekten verwöhnt. Für eine Topwertung im Bereich Grafik reicht es zwar nicht, aber das liegt auch daran, dass es sich bei World of Goo nun mal um ein 2D-Puzzle-Game handelt, bei dem die Übersichtlichkeit weit wichtiger ist als technischer Schnickschnack.


Simpel aber lustig. Die Zwischensequenzen wissen zu gefallen.


Beim Soundtrack gibt es nichts zu meckern. Die vielen Stücke wurden perfekt an die jeweiligen Levels angepasst. Mal langsam und mysteriös, mal schnell und dramatisch, hier gibt es etwas für jeden Geschmack. Manchmal tönen Funk-Melodien aus den Lautsprechern, die stark an ein 70er Jahre B-Movie erinnern, an anderer Stelle lässt sich die akustische Untermalung eher mit der eines Tim Burton Films vergleichen. Wer also A Nightmare before Christmas oder eine Folge Starsky & Hutch gesehen hat, kann sich also bereits ein ungefähres Bild davon machen, was ihn erwartet. Das völlig unverständliche aber niedliche Gebrabbel der Goos und andere Geräusche tragen ebenfalls zur guten Stimmung bei, die das Game verbreitet.

Tim meint:

Tim

World of Goo ist ein wirklich gelungenes Puzzle-Game und systemübergreifend eines der besten Download-Spiele. Einige der Berichte, die durchs Internet geistern, wirken zwar etwas übertrieben, doch wer will schon mit den begeisterungsfähigen Schreiberlingen um ein paar Prozente bei der Endwertung streiten, wenn seitens der Programmierer so viel Herzblut in ein Projekt geflossen ist. Das Werk der 2D Boys überzeugt durch Originalität und jede Menge Abwechslung in den Bereichen Gameplay, Optik und Sound. Die beiden Hauptmacher haben ihre herrlich skurrilen Ideen konsequent umgesetzt und eine Welt mit ganz eigenen aber dennoch nachvollziehbaren Naturgesetzen erschaffen. Ein paar Levels mehr, ein Editor zum Basteln eigener Herausforderungen und weitere Multiplayer-Modi hätten World of Goo sicherlich nicht geschadet, aber auch in der vorliegenden Form ist der Puzzler beeindruckend. Das Game übertrumpft locker den Großteil der Genre-Konkurrenz, die für wesentlich mehr Geld über die Ladentheke gereicht wird. Bei so einem Preis-Leistungsverhältnis gibt es also nur einen logischen Schluss: Wii Points besorgen und runterladen! Am besten noch heute! 

Positiv

  • Geniale Spielphysik
  • Originelles Konzept mit hohem Suchtfaktor
  • Trotz Mini-Team technisch gelungen

Negativ

  • Kein Level-Editor
  • Steuerung etwas zu simpel
  • Kein echter Multiplayer-Modus
Userwertung
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World of Goo (WiiWare) Daten
Genre Puzzle
Spieleranzahl 1 - 4
Regionalcode PAL
Auflösung / Hertz 50 / 60 Hz
Onlinefunktion Ja
Verfügbarkeit 19.12.2008
Vermarkter -
Wertung 8.7
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neXGam YouTube Channel
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